Land gewinnen

Wer eine Immobilie außerhalb großer Städte erwerben will, sollte sich beeilen. Die Preise steigen rasch.
Illustrationen: Jasmin Mietaschk
Illustrationen: Jasmin Mietaschk
Axel Novak Redaktion

Wer fest steckt, sucht nach einem Ausweg – und den bietet Städtern das Land. Zum Beispiel der abgewirtschaftete Bauernhof zwischen Hamburg und Berlin, dort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen: Scheune, Stall, denkmalgeschütztes Bauernhaus, dazu 3.000 Quadratmeter Garten. Das ganze wird als Rohdiamant für solvente Liebhaber mit einer Affinität zu Bohrhammer und Mörtelschaufel ins Netz gestellt. Sechs Minuten lang steht das Objekt im Onlineportal, erzählt der Makler anschließend verdutzt, dann hat bereits ein Käufer zugeschlagen: Für mehr als eine Viertelmillion Euro.

 

Land ist Trend. Und das hat viele Gründe. Zwar ist Deutschland traditionell Mieterland. Doch die meisten Menschen sehnen sich nach Eigentum, um den Kindern Platz zu bieten, um Miete zu sparen und um langfristig Werte zu schaffen. Denn vor allem in Ballungsgebieten steigen die Preise für den Wohnraum. In der Großstadt München zahlt der Käufer im Durchschnitt 7.558 Euro pro Quadratmeter, in Thüringen im ländlichen Kyffhäuserkreis dagegen gerade mal 590 Euro, hat der Immobiliendienstleister McMakler ermittelt. Nun sind Preisvergleiche manchmal nicht so sinnvoll, die Käufer in den beiden Märkten dürften wohl ziemlich verschiedenen Gruppen angehören. Doch grundsätzlich gilt: Wohnraum in der Stadt ist rund 55 Prozent teurer als im Umland. Das hat eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) für die Sparda-Banken ergeben. Und die Diskrepanz führt dazu, dass die arbeitende Bevölkerung eher bereit ist, ins Umland zu ziehen, sei’s auch weiter entfernt von Job, Kita und Supermarkt. Gerade und auch in Zeiten von Corona und Home Office eine interessante Alternative zur Stadt.

 

„Bei der Suche nach einem Einfamilienhaus zum Kauf stehen die Chancen, fündig zu werden, in ländlichen Räumen deutlich besser als in den Ballungsräumen: Während die mittlere Wohnfläche in den Metropolen bei 86 Quadratmeter liegt, werden in den peripheren ländlichen Räumen im Durchschnitt 120 Quadratmeter angeboten. Auch diese großen Unterschiede in der Wohngröße und im Preisniveau tragen dazu bei, dass das Umland immer beliebter wird“, sagt Florian Rentsch, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Sparda-Banken. „Wer auf der Suche nach mehr Wohnraum für die Familie ist, geht raus aus den Großstädten ins Umland.“

 

Und dann gibt es noch den Erschwinglichkeits-index des Immobilienverbands IVD. Der gibt an, wann überhaupt Eigentum noch im Rahmen dessen erschwinglich ist, was künftige Immobilienbesitzer leisten können. Der Index geht davon aus, dass künftige Käufer nicht mehr als 25 Prozent ihres Haushaltseinkommens in die neue Immobilie stecken sollten und kommt zu dem Schluss: Das ist auch heute noch möglich. Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser sind besonders abseits von Metropolen und Großstädten – vor allem in den ländlichen Regionen – erschwinglich. Ein Grund dafür ist übrigens das Baukindergeld. Seit 2018 winkt Familien für den Bau eines Hauses oder den Kauf einer Immobilie ein staatlicher Zuschuss von 12.000 Euro je Kind. Etwa 6,5 Milliarden Euro Fördergelder hat die KfW nach Zeitungsberichten bislang ausgeschüttet und damit fast 310.000 Familien in Deutschland geholfen, Land zu gewinnen.

 

Doch es ist ein Trugschluss zu glauben, die Pandemie oder der demographische Wandel mit einer sinkenden Anzahl von Familien und dem steten gesellschaftlichen Alterungsprozess führe heute zu sinkenden Immobilienpreisen in Stadt und Umland. Im Gegenteil, die Preise steigen – und sie steigen rasch. Die Reurbanisierung und der dadurch starke Bevölkerungszuwachs in Großstädten beschränken sich schon lange nicht mehr nur auf die großen Metropolen. Immer mehr Menschen strömen vom Land in die Stadt – das verknappt den Wohnraum in den Ballungsgebieten bis in das Umland der Stadtregionen, so McMakler.

 

Wer sich die Mietrendite anschaut, sieht den Wandel in Zahlen. Bislang galt ein Faktor zwischen 20 und 24 als guter Indikator. Heute werden in den großen Städten Immobilien zu mehr als dem 30- und sogar 50-Fachen der Jahresnettokaltmiete gehandelt. Und dieses Niveau schwappt langsam auf die Speckgürtel der Metropolen über, wie McMakler 2019 in einer Analyse festgestellt hat.

 

Anders sieht es aus, wenn man wie Wertsteigerung mit berücksichtigt. Sie bemisst sich aus der prozentualen Veränderung des Kaufpreises gegenüber dem Vorjahr. Summiert mit der Mietrendite ergibt sich ein so genannter Total Return. Und der liegt im Umland großer Städte schon seit einigen Jahren über dem in den Großstädten, hat das Kölner Institut für Wirtschaft festgestellt. Sprich: Eine Immobilieninvestition auf dem Land könnte langfristig rentabler sein als in der Stadt. Es hängt – wie so oft bei Immobilien – also davon ab, wie sich der Markt entwickelt.

 

Wer nun sofort zur Hausbank eilt und sich günstige Kredite sichern will, sollte es sich gut überlegen. Denn dem nachvollziehbaren Trend ins Umland stehen ein paar Dinge entgegen. Das ist zum einen die Pendelei. Sicher, das Home Office zeigt in der Corona-Zeit, dass es auch anders geht. Statt täglich anderthalb Stunden im Stau zu stehen, reduzieren viele Menschen ihre Wege massiv. Doch ob das dauerhaft Bestand hat?

 

Auch lohnt sich der Blick auf die Infrastruktur: Wer auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, muss oft sehr lange warten. Einrichtungen wie Ärzte, Schulen oder Postfilialen liegen weitab, viele Geschäfte schließen im Umland früher, das kulturelle Angebot ist begrenzt. Planungen auf der grünen Wiese verzichten oft auf eine Infrastruktur, die in der Stadt selbstverständlich geworden ist – und wer Pech mit dem Nachbarn hat, kann nicht in die Anonymität der Stadt flüchten.

 

Dem Liebhaber, der den unsanierten Bauernhof online erwarb, sind solch Überlegungen möglicherweise egal. Gut möglich, dass er weiß, dass der finanzielle Aufwand, eine solche Immobilie bewohnbar zu machen, gewaltig ist. Ist er nicht solvent genug, wird der Hof in einiger Zeit wieder online verfügbar sein.

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