Wohnen wie ein König

Die Heimvernetzung wird intelligenter, aber auch einfühlsamer. Sie reagiert auf Sprache und kümmert sich um das Wohlbefinden und die Sicherheit der Bewohner.
Illustration: Viktoria Marie Schiffer
Illustration: Viktoria Marie Schiffer
Mirko Heinemann Redaktion

Wer nicht möchte, muss sein Zuhause nicht mehr verlassen. Der Lieferdienst bringt die Lebensmittel vorbei, das Internet sorgt für Unterhaltung, der Kühlschrank bestellt seinen Inhalt selbst, die Waschmaschine ihr Waschmittel. Und wer Bewegung braucht, setzt eine Brille auf und genießt einen Spaziergang in der Virtuellen Realität, in spektakulärer Natur oder im Weltall. Virtuelle Realität, kurz „VR“, ist im Home Entertainment der letzte Schrei. Dabei geht es nicht nur um Unterhaltung, sondern auch ums Lernen. Eine Million Schüler haben über „Google Experiences“ bereits an virtuellen Schulausflügen teilgenommen. An der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin besuchen bis zu 80 Studierende pro Semester Veranstaltungen, ohne ihr Zuhause verlassen zu müssen.

„My Home is my Castle“ – dieser Leitspruch hat längst eine neue Bedeutungsstufe erreicht. Längst geht es beim Smart Home, dem vernetzten Heim, um mehr als Rollläden, die per Smartphone hoch und wieder heruntergefahren werden können, den intelligenten Kühlschrank oder die Heizung, die sich kurz vor dem Eintreffen ihres Besitzers automatisch einschaltet. Das Smart Home ist über die Regeltechnik hinausgewachsen. Im Fokus neuer Anwendungen steht der User und sein Wohlbefinden. Der Bewohner wird König. 

Künftig wird ihm eine digitale Assistentin wie Alexa, die vom Internethändler Amazon hergestellt wird, zur Seite stehen. Ihre sprachlichen Fähigkeiten, die sich mit jeder Nutzung verbessern, wurden in vielen Tests bereits unter Beweis gestellt. Alexa ist die Verkörperung des Smart Home, die Schnittstelle zwischen Bewohner, den Sensoren und dem riesigen Datenpool Internet. Sie ist lernfähig. Sie erkennt Gewohnheiten ihrer User, ordnet sie ein und sorgt für eine angenehme Wohnatmosphäre. Ein Sprachbefehl würde reichen, schon würde sie das Licht heller dimmen. Sprachfähige Systeme wie das Apple „HomeKit“, „Google Home“ oder Microsofts „Home Hub“, eine auf Windows 10 basierende Schnittstelle, bilden die Plattform, auf der jedes Gerät im Haus, das mit dem WLAN verbunden ist, sich per Sprache  steuern lassen kann.

„Digitale Sprachassistenten erlauben es von überall im Raum freihändig per Zuruf Befehle zu geben und Fragen stellen zu können“, erklärt Timm Lutter, Experte für Consumer Electronics und Digital Media beim Digitalverband Bitkom. „Die Technologie hat das Potenzial, die Haushalte zu erobern und den Alltag in den eigenen vier Wänden zu vereinfachen.“ Eine repräsentative Umfrage seines Verbands ergab: Knapp 40 Prozent aller Deutschen ab 14 Jahren können sich vorstellen, solche stationären Sprachassistenten zu nutzen.

Der Nachteil vernetzter Sprachanwendungen ist ihre bisher mangelhafte Absicherung gegen Missbrauch. Niemand möchte einen Spion zu Hause haben, der alles mitschneidet, was man im privaten Rahmen bespricht. So war das Smart Home auch Hauptthema des „Safer Internet Day 2017“ in Berlin, der Anfang Februar vom Bundesminis-terium der Justiz und für Verbraucherschutz und dem Bitkom veranstaltet wurde. „Die Sicherheit der Geräte und der Schutz der erhobenen Daten sind zentrale Voraussetzungen für den Erfolg des Smart Home“, erklärte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. „Die Anbieter sollten bestimmte Mindeststandards bei der Sicherheit einhalten. Dazu gehört die Auslieferung von Geräten mit individuellen Passwörtern, die Gewährleistung schneller Sicherheits-Updates bei Hacker-Angriffen oder die Verschlüsselung personenbezogener Daten. Darüber hinaus müssen die Verbraucher aber auch selbst einen Beitrag leisten und schon bei der Anschaffung von Smart-Home-Geräten bewusst auf Sicherheits-Features achten.“

Beim gesprochenen Wort wird es künftig nicht bleiben. Gewohnheiten werden erkannt. Beim Rascheln einer Zeitung wird das Licht heraufgedimmt. Gähnen setzt die Kaffeemaschine in Gang. Vernetzte Sensoren werden überdies Gesundheitsdaten erheben und sie selbstlernend anwenden. Sensoren hinter dem Badezimmerspiegel können bereits anhand der Gesichtsfarbe erkennen, wie es um die Gesundheit des Benutzers bestellt ist. Gewichtssensoren in der Fußbodenmatte, berührungsfreie Fieberthermometer oder Ultraschallsensoren im Toilettensitz messen Blutdruck und Körpertemperatur. Diese „Non-invasive Health-Monitoring Devices“, wie Google solche Sensoren nennt, werden im Smart Home der Zukunft Empfehlungen aussprechen können: „Guten Morgen“, wird Alexa wünschen. „Ein 10-Kilometer-Lauf durch den Volkspark würde dir heute wirklich gut tun.“

Doch ist es wirklich das, was Bewohner zuallererst von ihrem Smart Home wollen? Nein, ermittelte die Gesellschaft für Unterhaltungs-elektronik gfu, die in Berlin die Consumermesse IFA veranstaltet. Zuvorderst wollen die meisten Smart-Home-User Sicherheits- statt Gesundheitssensoren. Auch der Digitalverband Bitkom ermittelte als wichtigsten Grund für die Nutzung von Smart-Home-Geräten: „höhere Sicherheit“ im privaten Umfeld. Smart-Home-Systeme sollen, als Ergänzung zu einer mechanischen Sicherung, dabei helfen, Täter abzuschrecken, sie auf frischer Tat zu fassen oder später zu überführen.

Und der Markt boomt. Jährliche Umsatzzuwächse von fünf bis sieben Prozent verzeichnet der Bundesverband Sicherheitstechnik. Smart-Home-Anbieter haben sich darauf eingestellt. Sie bieten Komplettlösungen mit Live-Video rund um die Uhr, Speicherung der Videos in der Cloud, Kameras mit Bewegungsmelder, Nachtsichtgeräte, Babyphone, Überwachung von Haustieren, Ferienwohnungen, Geschäftsräumen und pflegebedürftigen Personen. Vernetzte Anlagen simulieren die Anwesenheit der Hausbewohner, indem sie abends das Licht einschalten oder die Rollläden herunterlassen. Eine humorvoll programmierte Sprachsteuerung könnte Einbrecher standesgemäß begrüßen: „Guten Abend. Das Haus ist gesichert, die Polizei ist unterwegs. Genießen Sie ihre letzten Minuten in Freiheit.“

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