Grüner Wohnen

Wir brauchen nachhaltige Häuser und Stadtquartiere, um den Klimawandel zu bremsen. Vorbilder gibt es bereits.
Grüner Wohnen
Illustration: Arinda Craciun
Lars Klaaßen Redaktion

Algen an der Fassade? Was von den meisten Immobilienbesitzern bislang als Sanierungsfall eingestuft wird, könnte die Zukunft des Hausbaus sein. In der Praxis gibt es bereits einige solcher Objekte, zum Beispiel das BIQ-Algenhaus mit 15 Wohnungen in Hamburg: In einer intelligenten Bioreaktorfassade werden die Einzeller kultiviert. Sie verwandeln durch Photosynthese energieärmere Stoffe in energiereiche Materie. Unter optimalen Bedingungen teilen sie sich zweimal am Tag, woraus neue Organismen zur Energieerzeugung entstehen. In einer Biogasanlage wird aus der in der Energiezentrale geernteten und dann getrockneten Biomasse Methan gewonnen, das als Heizgas oder zum Betrieb von Motoren verwendet werden kann. Gleichzeitig wird Wärme erzeugt, die sich im Gebäude nutzen lässt.
Solche ökologisch ausgereiften Wohnhäuser sind von großer Bedeutung, um den Klimawandel zu begrenzen. Denn 40 Prozent des Energieverbrauchs in der EU gehen derzeit auf das Konto unserer Häuser: um sie zu heizen, kühlen, lüften und beleuchten. Das verursacht zudem ein Drittel aller Treibhausgasemissionen. Vor diesem Hintergrund hat sich „Nachhaltiges Bauen“ in den letzten Jahren zu einem der renommierten Architekturpreise des Landes entwickelt. Er wird von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) vergeben. Da die meisten Wohnhäuser in Deutschland (38 Prozent) zwischen 1948 und 1978 gebaut wurden, gilt dabei dem Bestand besonderes Augenmerk. So zeichnete die DGNB 2015 ein generalsaniertes Wohnhochhaus in Pforzheim aus. Im Rahmen der energetischen Sanierung wurde das ganze haustechnische Konzept erneuert, was auch die Verwendung regenerativer Energien einschloss. Photovoltaikmodule und eine Kleinwindkraftanlage auf dem Dach erzeugen erneuerbaren Strom.
Doch Häuser allein sind nur die halbe Miete. Ganze Stadtquartiere müssen künftig nachhaltiger werden. Von emissionsarmer Mobilität über klimaneutrale Energieproduktion bis hin zur Verwendung von Big Data für intelligente Wassernetze: Konzepte für eine „Smart City“ werden weltweit in vielen Städten als Antwort auf vielfältige Herausforderungen realisiert. Die meisten Projekte dieser Art entstehen am Reißbrett, werden also komplett neu gebaut. Von Beginn an sind dort Hightech-Anwendungen als integrale Bestandteile eingeplant. „In bestehenden Stadtquartieren funktioniert das allerdings nicht ohne weiteres“, sagt Nadine Kuhla von Bergmann vom Fachgebiet CHORA für Städtebau und nachhaltige Stadtentwicklung an der TU Berlin. „Der Großteil unseres urbanen Lebensraums ist im Bestand und muss behutsam weiterentwickelt werden, um auch in der Zukunft alle nötigen Aufgaben erfüllen zu können.“
Wie das funktionieren kann, wird derzeit in einem Berliner Innenstadtquartier untersucht – und als Feldversuch gleich in die Praxis umgesetzt: Moabit West ist nicht nur ein Wohnviertel, sondern mit 43 Hektar auch das größte innerstädtische Industrie- und Gewerbegebiet der Hauptstadt. Ein Problem im Quartier stellte zum Beispiel die Wasserwirtschaft dar. Bei Starkregen kam es regelmäßig zu Rückstau im Mischkanal. In solchen Fällen lief das Abwasser ungefiltert in die Spree. Um das zu verhindern, wird das Regenwasser nun gesammelt und zur Kühlung einer alten Halle genutzt, die sich im Sommer stark erhitzt.

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